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2023 Margit Bührle, Stilberatung
Über das Porträt – Technik – Gedanken
Im Zeitalter des Selfies stellt sich die Frage, ob ein meist fremder Mensch, wie die FotografIn, ein besseres Porträt knipsen könnte als man selbst? Die Profi-Kamera garantiert nicht unbedingt das bessere Porträt. Ich denke aber, das eigene Selbstbild ist oft ein recht voreingenommenes, manipuliertes, kopiertes. Es kommt natürlich auch darauf an, was mich an mir interessiert. Das Äußere ist sehr veränderbar und kurzlebig, das Persönliche aber einzigartig.
Möchte jemand wie eine andere Person aussehen – z. B. wie eine berühmte SchauspielerIn oder SängerIn oder Model, gelingt das wahrscheinlich mit dem Selfie sehr gut. Viele Fotoateliers sind auch darauf spezialisiert und haben dafür sogar eine Garderobe an Accessoires bereit.
Das ist nicht mein Fachgebiet, es sei sie sind SchauspielerIn oder KünstlerIn und brauchen Fotografien für ihr Portfolio. Mich interessiert besonders die Persönlichkeit eines Menschen, weniger seine Oberfläche. Ein vom Leben geprägtes Gesicht ist so einzigartig wie seine Persönlichkeit.
Als Fotografin versuche ich schon im Vorgespräch und dann während der Fotosession, die eine oder andere Schattierung der Persönlichkeit zu erkennen.
Ich fotografiere mobil, das heißt nicht im Atelier, sondern an einem Ort der ihnen gut gefällt oder besondere Bedeutung hat, ob im Freien oder in ihrem Haus.
Technik
Die meisten Menschen finden es angenehmer, nicht hell angestrahlt zu werden. Auch deshalb bevorzuge ich natürliches Licht. Selbst in Innenräumen versuche ich möglichst ohne extra Fotolampen auszukommen. Gelegentlich verwende ich Reflektoren.
Auch „photoshope“ ich nicht aalglatt, sondern entferne hauptsächlich vorübergehende Hautunreinheiten. Falten weichzeichne und retuschiere ich sparsam oder gar nicht. Falten schreiben die bewegte Lebensgeschichte ins Gesicht und auf den Körper. Insofern sind sie es gerade, die Persönlichkeit sichtbar machen – sollte man diese sichtbar machen wollen.
Ich jedenfalls finde Falten ohnehin interessant.
Oft braucht es ausreichend Zeit, bis man sich entspannt, um sich auf das Spiel im Mittelpunkt zu stehen, einzulassen. Im wertfreien Geben und Nehmen zwischen ihnen und mir als Fotografin entsteht eine Serie, wo sie sich wiedererkennen und gefallen werden und möglicherweise auch noch unbekannte Seiten von sich entdecken können.
Selfie und Porträt, Malerei
Ein fotografisches Porträt kann die Vielseitigkeit einer Person weniger gut abbilden als ein gemaltes Porträt, wo der Pinsel viele Facetten der Persönlichkeit in einem einzigen Gemälde darstellen kann. Das kann die Fotografie meistens nur mit einer Serie.
Der Malvorgang dauert deutlich länger, oft Tage und Wochen, da kann man einen Menschen schon ein wenig kennenlernen. Da ist die FotografIn meistens im krassen Nachteil, mit den paar Minuten oder Stunden. Ein misslungenes Porträt kann meiner Meinung nach sogar toll aussehen. Oberflächlich, technisch perfekt, aber sagt wenig bis nichts über die porträtierte Person aus. Finde ich. So ein Porträt ist ziemlich langweilig, quasi eine gute Sachaufnahme. Und oft erzählt es mehr über den Blick der HerstellerIn als etwas Persönliches über die Porträtierte.
Im Selfie produziere ich ja kontrolliert ein bestimmtes Bild von mir. Ein kreativer Akt tausendfach unterschiedlicher Selbstdarstellung, Identitätswechsel oder von ganz persönlichen Gemütszuständen oder Abbilder davon. Eine neue Kunstform. Myselfie. Auch eine Art der Selbstermächtigung sein Bild, sein Abbild zu bestimmen, zu veräußern. Sein Äußeres im Internet zu veräußern. Seine Kunstfigur erschaffen.
Ich denke, Selfies haben neues Genre geschaffen.
Der Blick der FotografIn hat anders als das Selfie Abstand von der meist fremden Person und weiß wenig von ihrem Selbstbild. Das ist oft sogar ein recht Unfreundliches, deswegen lassen sie sich nicht gerne fotografieren, obwohl das sogar recht freudvoll werden kann. Meistens sogar.
Ich als Fotografin bin auf ihr Vertrauen angewiesen und auf das Maß der Selbstkontrolle, die sie bereit sind aufzugeben, um ein wenig hinter die Oberfläche zu blicken.
Ein „Porträt“ zu schaffen, das die Persönlichkeit ein wenig trifft, ist nicht einfach. Wie beim Selfie gestalten sie immer auch mit. Ich lasse das gerne zu, ja mehr, ich bestärke das Mitspielen und Mitgestalten. Der Ausdruck, die Pose kann auch ihre Inszenierung sein, ihre künstlerische Performance (siehe Judith Klemenc).
Ein gelungenes Porträt kann vieles sein. Auch ein Gegenstand. Sie haben bestimmt auch schon festgestellt, dass der Wohnraum, der Schreibtisch, der Garten et., jeder Ort, wo eine Person viel Zeit verbringt, mehr über sie erzählen kann, als ihr in einer hundertstel Sekunde isolierter Gesichtsausdruck.